HOLZ-BLOG - BEMERKENSWERTES AUS DER HOLZBRANCHE


08.08.2023

Korporation Walchwil besitzt drei Kastanienhaine

Kürzlich konnten wir uns mit Förster Vitus Hürlimann über die drei Kastanienhaine der Korporation Walchwil unterhalten und erfuhren viel Spannendes über die Kastanienbäume und über ihre Frucht, die Marroni.

Welche Kastanienhaine besitzt die Korporation Walchwil?
Vitus Hürlimann: Das sind Büel (entlang des Panoramawegs), Ausseregg (beim Spielplatz) und Holäsch (Hinterbergstrasse). Die Selve Ausseregg ist öffentlich, und die Früchte können im Herbst von allen Leuten geerntet werden. Ausserdem gibt es auch im übrigen Wald vereinzelt Kastanien.

Von welcher Fläche spricht man dabei?
Die Fläche von allen drei Hainen entspricht ca. 330 Aren.

Um welche Kastaniensorte handelt es sich?
Es handelt sich um Edelkastanien. Die Früchte können als schmackhafte Marroni gebraten und gegessen werden. Was man noch kennt, sind Rosskastanien. Diese sind jedoch nicht geniessbar, dienen aber trotzdem als Heilmittel. Der Baum der Rosskastanie ist ausserdem sehr beliebt als schattenspendender Biergartenbaum.

Wir haben jetzt schon von Hainen und Selven gehört. Bedeuten die beiden Ausdrücke das Gleiche?
Ja, das ist so. «Das Wort Hain entstand aus dem mittelhochdeutschen 'hagen' für 'gehegter Wald'»; Wikipedia. «Eine Selve ist eine Hochstammobstanlage aus veredelten Edelkastanien. Die Bezeichnung leitet sich vom italienischen selva (vgl. lateinisch silva) für 'Wald' ab»; Wikipedia. Im Mundart nennen wir sie «Cheschtenerain». Rain heisst nach dem Idiotikon «kleiner begraster Abhang».

Es handelt sich um eine alte Kulturform, in welcher sich zwei Nutzungen ideal ergänzen. Kennzeichen sind ein lockerer Baumbestand (Frucht) und darunter eine nutzbare Wiese für Mahd oder Beweidung.

Was ist das Besondere daran, Kastanienhaine zu bewirtschaften? Bedeutet es einen grösseren Aufwand als die Pflege des restlichen Waldes?
Das Besondere an Kastanienhainen ist, dass die Bäume, welche darin wachsen, veredelt sind. Die Bäume sollen ertragreich sein und schöne Marroni hervorbringen. Das heisst, es geht in erster Linie um die Frucht. Da die Kastanienselven einmal im Jahr gemäht werden, kommt die Bewirtschaftung einer Magerwiese gleich und ist somit eine wertvolle Bereicherung für die Biodiversität.

Der Aufwand für die Pflege ist darum aufwendiger als im übrigen Wald, da einmal jährlich der Unterwuchs gemäht wird. Die Mäharbeiten werden jedoch von der Einwohnergemeinde abgegolten.

Warum ist das Aufkommen an Edelkastanien in der Zentralschweiz eher niedrig?
Die Kastanie ist eine wärmeliebende Baumart und gedeiht auf der Alpennordseite nur an wärmeren Orten. Durch den Walchwiler Berg, welcher die kalten Nordwinde abhält, den See und die südexponierte Lage sind wir in Walchwil also an optimaler Lage für Kastanien. Hilfreich für das Gedeihen der Kastanien sind sicher auch Orte an Föhnlagen.

Zum Beispiel hat Murg am Walensee seit jeher sehr viele Kastanien. Aber auch die Lagen südlich vom Rigi entlang des Vierwaldstättersees sind optimale Lagen für Kastanien.

Die wärmeliebende und trockentolerante Kastanie ist sicher eine Baumart, die von der Klimaveränderung profitiert. Ich bin mir sicher, dass sie in nächster Zeit auch im Wirtschaftswald vermehrt gepflanzt wird.

Wie muss man sich eine Ernte vorstellen, und was passiert mit der Ernte? Wann erntet man?
Die Ernte ist nicht professionell. Sie wird meist von Privatpersonen für den Eigenbedarf vorgenommen. Ende September, anfangs Oktober, wenn die Kastanien reif sind, fallen sie von selbst aus den stacheligen Früchten und können am Boden aufgesammelt werden.

Meistens werden die Kastanien als Marroni geröstet und gegessen, so wie man es von den Marroniständen in der Stadt kennt. Selbstverständlich kann die wunderbare Kastanienfrucht auch für viel anderes verwendet werden.

Sind Kastanienbäume auch von Schädlingen geplagt?
Ja, leider. Seit Jahren macht uns der Kastanienrindenkrebs zu schaffen. Dies ist ein Pilz, der sich, wie der Name schon sagt, in der Rinde der Kastanienbäume einnistet und Äste oder gar ganze Kastanienbäume zum Absterben bringt.

In Zusammenarbeit mit der WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft in Birmensdorf) und dem Amt für Wald und Wild Kanton Zug wurde aber schon früh auf diese Krankheit reagiert. Die Kastanienkrebse wurden in den letzten Jahren von Spezialisten der WSL mit einem Virus infiziert, welches den Pilz im Wachstum schwächt. Dies hat recht gut angeschlagen, und die Kastanien präsentieren sich heute in guter Gesundheit.

Ferner ist aus dem Süden in den letzten Jahren auch die Kastaniengallwespe eingewandert; zum Glück aber auch deren Gegenspieler: eine Schlupfwespe, welche die Larven parasitiert.

Wofür kann man das Holz der Kastanie nutzen?
Das Holz der Kastanie ist sehr dauerhaft und witterungsbeständig und darum sehr beliebt im Aussenverbau (Spielplätze, Lawinenverbau, Hausfassade usw.).

Schöne Stämme erzielen gute Preise und können zu exklusiven Möbeln verarbeitet werden oder finden Verwendung in der Küferei. Das Holz der alten Bäume in den Selven ist aber meistens ringschälig und von minderer Qualität.

Seit wann gibt es Kastanien in Walchwil?
In Walchwil wird die Kastanie erstmals im Jahre 1497 erwähnt. Früher hatte sie eine grosse Bedeutung für die Ernährung der Bevölkerung. Eine Faustregel besagte damals: Ein Baum für jedes Maul. Tatsächlich hatte es zu dieser Zeit viele Kastanienbäume in Walchwil. Eine Zählung von Kaplan Bonifaz Staub aus dem Jahre 1866 ergab für Walchwil eine stattliche Menge von 4500 Bäumen.

Heute sind nicht mehr so viel Bäume vorhanden. Die Korporation möchte aber den aktuellen Baumbestand erhalten und zusätzlich Kastanien pflanzen.

Kulturell spielt und spielte die Kastanie immer eine Rolle in Walchwil. Die Fasnachtszeitung, welche es seit 1906 gibt, heisst – wie könnte es anders sein – «Chesteneigel». Ebenfalls heisst die örtliche Guggenmusik «Chestänärigler» und das Zepter vom Walchwiler Fasnachtsoberhaupt ziert ein goldener «Chesteneigel». Und vor dem Gemeindehaus steht nicht etwa der Wappenbaum (eine Tanne) – sondern eben auch ein schöner Kastanienbaum.

Möchten Sie mehr über die Kastanienkultur in der Zentralscheiz wissen, empfiehlt Vitus Hürlimann die Webseite der IG Kastanie Zentralschweiz.

Vitus Hürlimann ist der Förster der Korporation Walchwil. Er präsidiert den Verband Zuger Forstpersonal und wirkt aktiv in der Regionalgruppe Zug der Lignum Holzwirtschaft Zentralschweiz mit.

Hier geht's zu einer Ausgabe des «Cheschtänä Igel» (Fasnachtszeitung Walchwil).



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